Großbrand in einem
Wirtschaftsgebäude des Schlosses in Wöbbel
Zu allem Überfluß brach am
Sonntag, den 19. November 1944, ein neues Unglück über Wöbbel herein, das alle
Bewohner in höchste Bestürzung versetzte.
Nachmittags, kurz nach 3 Uhr
erscholl der Schreckensruf "Feuer" durch das Dorf. In der Tat, in dem
Wirtschaftsgebäude des Schlosses war Feuer ausgebrochen, aus dem mittleren
Dache des sogenannten langen Hauses, das längs der Kirche liegt, schlugen
Flammen zum Himmel empor. Mit rasender Schnelligkeit breitete sich der
Feuerherd aus, da die Scheune voll Stroh und Korn lag, eine Ernte von fast 60
Morgen Land. Dichter Qualm wälzte sich zum Himmel empor, hohe Flammen züngelten
aus dem Dache. Bald stand auch das anliegende sogenannte Jägerhaus in hellen
Flammen. Die sofort in Tätigkeit getretene Feuerwehr der Gemeinde Wöbbel suchte zu
retten was zu retten war. Die Schloßfeuerwehr sandte ihre ersten Strahlen in
die prasselnden Gluten, bald darauf auch die Dorfspritze der Hagener
Gesellschaft aus der Mühle. Aber gegen dieses Feuermeer war nicht aufzukommen,
man mußte sich vorläufig mit der Beschränkung des Feuerherdes begnügen. Da ein
starker Wind aus südöstlicher Richtung trieb und vom brennenden langen Hause
her in nördlicher Richtung die Häuser Schöning und der Kettelbouterie in
größter Gefahr waren, ebenso das Wohnhaus des Herrn von Donop, wurde die
Nordseite zuerst in Angriff genommen, die gottlob durch eine dicke Brandmauer
abgegrenzt war.
Verdienste erwarben sich der
Ortsbauernführer und seine Einwohner, die entschlossen auf dem brennenden Hause
an der Nordecke unter eigener Lebensgefahr den Brandherd bekämpften, so daß ein
Übergreifen des Feuers nicht mehr möglich war. Auch die übrige Feuerwehr tat
ihr Möglichstes. Der Meister der Feuerwehrschutzpolizei aus dem Schlosse griff
überall, wo es not tat ein, der Bürgermeister und sein Bruder und viele andere
sah man in fieberhafter Tätigkeit.
Aber gegen diese Flammenglut war
eine Bekämpfung kaum möglich, wenn auch inzwischen 6 Schläuche ihre Strahlen in
das prasselnde Feuer sandten. Die Polen im Jägerhaus retteten mit vieler Mühe
ihre wenigen Habseligkeiten, auch ihre Unterkunftsräume waren schon am brennen.
Da erscholl der Schreckensruf: "Die Kirche brennt!" Aber es war nur
am Dachfirst eine kleine Ecke, die Feuer gefangen hatte, sie war bald gelöscht.
Dann ertönten Alarmsignale, nacheinander kamen die Feuerwehren der Nachbarorte
Belle, Steinheim und BIomberg angerast, helfend einzugreifen. Bald sandten aus
15 Schläuchen die sämtlichen Wehren ungeheure Wassermassen in die brennenden
Gluten, prasselnd stürzte das gewaltige Eichengebälk der Dächer zusammen,
ungeheure Qualmsäulen stiegen zum Himmel. In der inzwischen hereingebrochenen
Dunkelheit und strömenden Regen boten die brennenden Gebäude einen grausigen
Anblick dar.
Gegen 9 Uhr war das Feuer soweit
bekämpft, daß die Feuerwehren abrücken konnten, nur die Beller Wehr hielt die
Nachtwache. Immer wieder flammten die Feuerherde auf, so daß stets die Spritzen
in Tätigkeit waren. Am nächsten Morgen wurde auf der wüsten Brandstätte mit den
Aufräumungsarbeiten begonnen. Noch 8 Tage lang mußte stets das qualmende und
schwelende Stroh, das immer wieder aufflackerte, mit den Schläuchen begangen
werden. Über die Ursache des Brandes ist nichts Bestimmtes zu erfahren.
Meinungen, Wahrnehmungen und Äußerungen sind hierüber sehr verschieden.
Brandstiftung oder Kurzschluß ist wohl kaum anzunehmen, wahrscheinlich ist, daß
ein feindlicher Flieger, der kurz vorher das Dorf überflog, Brandgeschosse in
das Dach schoß, da das Feuer auf der First des langen Hauses zuerst bemerkt
wurde.
Sei dem wie es sei, der Brand hat
ganz Wöbbel in größten Schrecken versetzt, genug Schaden angerichtet und Arbeit
in Hülle und Fülle gebracht. Es wird wohl eine geraume Zeit dauern, bis alles
wieder hergestellt ist, und die öde Brandstätte wird noch lange an die
schrecklichen Stunden erinnern. Einen solchen Brand hatte das Dorf eben noch
nicht erlebt.
Bericht aus „Erlauschte und Erlebtes aus einem lippischen
Dörfchen“ von Ferdinand Theissing
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